Nein? Ich hatte kürzlich die Gelegenheit ihn kennen zu lernen, als sein Herrchen mich zwecks seiner Erziehung zu Rate zog. Als ich das eiserne Gartentor zu dem idyllisch gelegenen Anwesen, auf dem Toni lebt, öffnete, kam er mir schon auf seinen kurzen Beinchen selbstbewußt entgegen gerannt. Auch der Ausdruck seiner glänzenden schwarzen Knopfaugen unter dem schwarzen Pony sagte mir, dass ich es hier nicht gerade mit einer schüchternen, zurückhaltenden Natur zu tun hatte. Ich folgte seinem Herrchen und der achtjährigen ruhigen Riesenschnauzer-Dame Hella, die so ganz nebenbei auch zu seinem Rudel zu gehören schien, auf die Terrasse.
„Der Toni ist jetzt ein Jahr alt und braucht allmählich mal ein bißchen Erziehung“ erfuhr ich, während Toni energisch versuchte, mir auf den Schoß zu klettern „Eigentlich klappt alles ganz gut. Er kann sogar schon „sitz“ und das Bällchen bringen und wenn ich ihn rufe, kommt er auch schon oft, nur hier und da gibt es noch so ein paar Kleinigkeiten…“
Inzwischen war die riesige, schwarze Hella herangekommen und ich wäre durchaus bereit gewesen, ihr die wollige Wange und den beeindruckenden Damenbart zu kraulen, wenn da nicht Toni gewesen wäre, dem mein ignorantes Verhalten langsam reichte. „Hallo! Hiiiiier! Hier bin ich, der Toni!!!“ Er sprang abwechselnd an mir hoch und Hella ins Gesicht. Die nette Hundedame hatte keine Chance und verzog sich. Herrchen lächelte milde.
Okay. Er kann also das Bällchen bringen. Fangen wir einfach mal damit an. Als Herrchen das Bällchen gefunden hatte, sprang der Zwerg ihm bis zur Hüfte: „Hey! Gib das Bällchen her! Das ist meins!“
Auf meinen Rat hin gehorchte Erik (alle Namen sind geändert) aber nicht sofort, sondern setzte sich erst mal hin. Toni war irritiert, setzte sich auch erst mal und kratzte sich nachdenklich am Ohr: „Was ist denn jetzt los? Warum funktioniert Herrchen nicht mehr?“ Nach einigen Momenten warf Erik den Ball. „Toni, hol das Bällchen! Na los, hol dem Papa das Bällchen! Na lauf!“
Bällchen doof! Der einzigste der sich bewegte, war jedoch Erik, während der Hundezwerg ihm ungerührt dabei zuschaute: „Hallo? Bin ich dein Diener, oder was?“ So weit kommt das noch, hier auf Kommando das blöde Bällchen zu holen! Erik lächelte entschuldigend: „Vorführ-Effekt.“
„Hmmh.“
Okay. Gehen wir die Sache anders an. Jetzt sollte Hella das Bällchen holen und Toni auf seinem Kissen sitzen bleiben. Das kann er ja schon, wie Erik mir eingangs erzählt hatte. Hella trabte unmotiviert aber brav los. „Hey! Bleib von meinem Bällchen! Gib es her! Ich will sofort mein Bällchen haben!“
Den Toni, der von dem Spielzeug kurz zuvor nichts wissen wollte, hielt jetzt nichts mehr auf seinem Kissen. Aufgebracht kläffend rannte er um Erik herum, der sich unerlaubt mit Hella beschäftigte. Die genervte Hunde-Dame verzog sich und Toni begab sich zufrieden auf sein! Kissen und begann auf seinem! Ball herumzukauen.
Okay. Toni will also auf seinem Kissen liegen. Herrchen begann, die verschiedenen bunten Spielsachen einzusammeln, die auf dem Rasen herumlagen. Toni, der schon gedacht hatte, die Ordnung sei wieder hergestellt, unterbrach sein Kauen. „Hey! Was macht der da?“ Er ließ den Ball fallen und rannte los. „Lass meine Sachen liegen!“
Kissen doof! „Toni, auf dein Kissen! Toni! Geh schön auf dein Kissen! Tooooniii…..“ Nichts zu machen. Erik setzte sich erschöpft zu mir an den Tisch und legte das Kissen neben sich auf die Bank. Kaum hatte der Hund das gepeilt versuchte er, sich das Kissen zu holen. Nachdem aber auch ein heftiger Tobsuchtsanfall nicht erfolgreich war, setzte er sich ein Stück weit von uns weg mit seinem kleinen Hintern ins nasse Gras.
Und fast war ich selbst von Mitleid ergriffen, als ich ihn da hocken sah, leicht zitternd und mit anklagendem Gesichtsausdruck: „Toni will auf seinem Kissen sitzen. Toni friert. Toni wird ganz krank werden ohne sein Kissen.“
Streicheln doof! Okay. Jetzt kannte ich Toni, den Menschen-Erzieher. Am Schluss kam mir noch eine Idee: Er hatte ja die ganze Zeit um Aufmerksamkeit und Zuwendung gebuhlt, jetzt wollte ich ihn zum Abschied ein bißchen kraulen und streicheln. Ich hockte mich hin: „Komm mal her, Toni!“ rief ich ihn freundlich. Der kuckte mich gelangweilt an und gähnte: „Was will die denn? Die soll sich einen anderen Deppen zum Streicheln suchen.“
Ach ja, ich hatte vergessen dass Toni bestimmt, wann gestreichelt wird.
Übel genommen habe ich ihm das nicht – im Gegenteil: Ich achte solche kleinen, selbstbewußten Charakter-Hunde wie Toni, die das Reglement selbst in die Pfote nehmen, da es offensichtlich kein anderer tun will. Man kann auch durchaus mit ihnen leben, wenn man keine Erwartungen und Ambitionen hat und sich mit ihnen fast ausschließlich im eigenen Haus mit entsprechend großzügigem Umfeld aufhält, wie in diesem Fall.
Das Problem ist nur, dass die wenigsten Menschen-Erzieher das Glück haben, auf so einem traumhaften Grundstück zu leben; sondern sie sollen sich in der Wohnung ruhig und angepasst verhalten, zu jedem freundlich sein, im Wald sofort kommen, wenn man ruft und vor allem, bitte schön, artig und ohne zu ziehen an der Leine gehen.
Dann wirds nervig. Der zum Bestimmer erzogene läßt sich nämlich nichts sagen. Er rennt wohin er will, er kommt wann er will, er bellt wann er will und er geht nicht aufmerksam an der Leine. Wenn er dann noch seinen Befehlen durch Knurren oder Schnappen Nachdruck verliehen hat, sieht es oft schlecht für ihn aus: Keiner versteht ihn, keiner traut ihm mehr, keiner will ihn mehr haben, er wird weggesperrt oder abgegeben – das traurige Schicksal vieler vierbeiniger Erzieher ihrer Menschen, die doch eigentlich nur ihr Hund sein wollten.