Ich steuere den Caddy auf der A 4 Richtung Olpe, Ausfahrt Reichshof, zum nächsten Termin. Die Septembersonne scheint mir warm ins Gesicht und ich gähne. Wenn ich in den Rückspiegel schaue, sehe ich Dingo lang ausgestreckt mit halb geschlossenen Augen auf seiner Schmusedecke liegen. Ab und zu lässt er leise einen ziehen. Er hat gerade sein Mittagsmahl verputzt und gleitet nun, sachte geschaukelt, in ein angenehmes Schläfchen hinüber.
Aus der Transportbox, in der Ruth ruht, dringen sägende Geräusche an mein Ohr. Die Dame schnarcht wie ein Holzfäller.
Ich kurbele das Fenster herunter. Nicht nur wegen der Pupse, sondern weil auch mich eine mittägliche Müdigkeit überkommt.
„Nach dem Essen soll der Hund ausgiebig ruhen.“ So instruiere ich Hundebesitzer und halte es mit Dingo und Ruth natürlich auch so.
Warum gilt das eigentlich nur für die lieben Vierbeiner?
Nun bin ich ja mit Leib und Seele Hunde-Erziehungsberaterin, aber wenn ich es mir aussuchen könnte, möchte ich im nächsten Leben gerne mal Hund sein.
Diesen Einblick in mein Berufsleben veröffentlichte ich vor Jahren spontan in einer Kolumne, nachdem ich mich abends müde, aber durchaus rundum zufrieden, noch an den Computer gesetzt hatte.
Und noch immer liebe ich meinen Beruf und seine tägliche Herausforderung. Tatsächlich wurde ich schonmal gefragt: Wird dir das eigentlich nicht langweilig, jeden Tag Hunde zu trainieren?
Bitte? Wie könnte es jemals langweilig sein, neue Leute und ihre Hunde kennen zu lernen und immer wieder neue individuelle Lösungskonzepte für sie zu finden? Wie könnte es jemals langweilig sein, zu erleben, wie Menschen mit ihren Hunden zu Teams zusammenwachsen? Für mich gibt es nichts Befriedigenderes. Urlaub? Nein danke, dazu hab ich viel zu viel zu tun. (Na ja, vielleicht mal so ein verlängertes Wochendende.)
Manchmal denke ich, ich leb wie so ein Landtierarzt, der von einem Hof zum anderen fährt, überall gerne gesehen ist, erwartet und gebraucht wird. Ein besseres und sinnvolleres Leben kann ich mir nicht vorstellen.
Allerdings habe ich es auch immer sehr genossen, über Land zu fahren, durch die schattigen Täler des Oberbergischen und über die luftigen Höhen. Oftmals habe ich mir dabei mal eine Pause gegönnt, habe auf der Höhe angehalten, um die Fernsicht zu genießen und die Landschaft mit ihren grünen Hügeln zu betrachten. Dann habe ich durchgeatmet, Kraft und Energie geschöpft.
Das hat sich allerdings leider geändert. Seit dem ersten extremen Sommer 2018 hat ein Waldsterben begonnen, wie ich es mir nie hätte vorstellen können. Jetzt sind wir zwei Jahre weiter und die Wälder sind zu 50% tot. Wie mag das noch weitergehen?
Immer noch fahre ich leidenschaftlich gerne zu „Hundeleuten“: zu Bauern, Jägern, Schafzüchtern und Privatleuten, die einfach nur einen netten Familienhund haben möchten. Aber das Reisen ist mir vermiest. Ich kucke nicht mehr gerne rechts und links vom Weg, halte nicht mehr auf den Höhen an. Das Leid der sterbenden Bäume zu sehen macht es mir schwer, optimistisch zu sein und positiv zu denken.
Nun, ich halte nichts davon, Trübsal zu blasen und glaube immer unerschütterlich an ein Happy End. In diesem Sinne wünsche ich mir einen Herbst mit wochenlangem Regen. Es soll bitte schütten, wie aus Eimern, damit es für unseren Wald (bzw. was davon noch übrig ist) eine Zukunft gibt.
In diesem Sinne wünsche ich Euch einen schönen Herbst 2020. Und der Natur und den (noch lebenden) Bäumen reichlich zu Trinken. Bleibt gesund!